„Ein Turm, in der kalten Zeit gebaut. Er bröckelt leise vor sich hin und laut, laut könnt es werden wenn er fällt, drum wird ein Stahlseil drum gezurrt, das ihn fest zusammenhält.“
(aus dem Radical Chique-Song „Schattenturm“)
Wenn Martin Mikulik an diesem Samstag (16. Jänner 2016) im Dezentral Songs aus seinem Soloprogramm spielt, tritt er dort schon fast als alter Bekannter auf. Vor drei Jahren gastierte er zum ersten Mal am Ilgplatz, es folgten vier oder fünf weitere Gastspiele, so genau kann sich Martin gar nicht erinnern. „Ich wurde damals via Facebook kontaktiert und eingeladen im Dezentral zu spielen“, sagt der in Favoriten aufgewachsene Mikulik, der nach einer Zwischenstation in der Brigittenau heute in Hernals lebt. Das Lokal am Ilgplatz ist für ihn ein „wichtiger Treffpunkt, ein Kristallisationspunkt für Kultur, an dem Leute zusammen finden. Für mich ist das Dezentral mit seiner erdigen und entspannten Aura eine der schönsten Konzertlocations in Wien.“
Im Alter von sechzehn Jahren nahm Martin zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand. Es folgten zahlreiche Abende als Straßenmusiker auf der Kärntner Straße, die meist gemeinsam mit Musikerkollegen und Freunden im Café Alt Wien endeten. Vor acht Jahren erfolgte die Gründung der Band Radical Chique, deren Sound sich im Lauf der Zeit aufgrund wechselnder Bandmitglieder von akustischen Melodien mit Chello, Akkordeon & Co. in Richtung Indie-Rock weiterentwickelte. 2008 und 2010 wurde jeweils ein Album veröffentlicht, die Band war auf FM4 und Ö1 zu hören. Mehrere Male geigte man im Rahmen des Gürtelnightwalks auf. „Wir haben viele Gigs gespielt, auch in den Bundesländern und in Deutschland“, erzählt Martin.
Parallel dazu hat der 43-Jährige immer auch als Singersongerwriter Musik gemacht, trat unter anderem beim von Jonny White organisierten Floorspot im Tachles am Karmeliterplatz auf. „Wenn ich solo spiele, kann ich viel mehr hineininterpretieren, kann bei den Songs öfter mal links oder rechts abbiegen und dem Publikum zwischendurch auch mal was über die Entstehung der Songs erzählen. Im Idealfall ergibt sich daraus ein spannender Dialog mit den Leuten“, erklärt Martin die Vorzüge von Solo-Auftritten. Doch auch als Frontman von Radical Chique oder als einer von fünf Musikern bei Max Holz, deren Proberaum sich in der Leopoldstädter Tandelmarktgasse befindet, fühlt sich Martin in seiner jeweiligen Rolle pudelwohl.
Die Inspiration zu seinen Solo-Texten entnimmt Martin seinem Alltag. Die Idee zum Song Chips & Schnaps kam ihm während einer Fahrt mit der U2. „Ein Obdachloser ging mit einem Pappbecher durch die U-Bahn und bat die Passagiere um ein paar Euro für Chips und Schnaps. Das ist dann länger in meinem Kopf herumgeschwirrt und schließlich habe ich es in einem Lied verpackt.“ Ebenfalls aus seinem Alltag entsprangen Idee und Text zu Schattenturm, einem Song über den Flakbunker im Augarten. Seine Wohnung in der Brigittenau lag damals in unmittelbarer Nähe der barocken Gartenanlage, dementsprechend viel Zeit verbrachte er dort. „Wir haben im Augarten Musikpicknicks und spontane Jamsessions gemacht. Damals drohten Teile des Flakbunkers einzustürzen. Der Bunker wurde großräumig umzäunt und innerhalb dieser Absperrung entwickelte sich auf einmal eine wilde Savanne. Für mich eine Symbolik mit starkem Kontrast: Auf der einen Seite der strenge Garten mit den gestutzten Pflanzen, auf der anderen Seite pflanzliche Anarchie rund um den Flakbunker. Daraus entstand dann der Text zum Song Schattenturm, den ich mit meiner Band Radical Chique aufgenommen habe.“
An Auftrittsorten im zweiten Bezirk mangelte es Martin bisher nicht. Schattenturm spielte er unter anderem in der Bunkerei im Augarten und neben Dezentral und Tachles wurde auch schon mal kurzerhand das Pilates Atelier von Sara Canini in der Novaragasse in eine Konzertlocation umfunktioniert. Und auch als Fan erlebte er so manchen denkwürdigen musikalischen Abend in der Leopoldstadt. Als David Bowie am 17. Oktober 1999 in der damals auf dem Messegelände befindlichen Libro Music Hall gastierte, war Martin live dabei. „David Bowie hat mich sehr geprägt, er war ein begnadeter Musiker und ein großes Vorbild für mich. Er hat immer sehr geile Harmonien gehabt und viele verschiedene Stile ausprobiert. Sein damaliges Konzert hat mich sehr beeindruckt. Bei Life on Mars hat er sich nur auf dem Klavier begleiten lassen, das werde ich nie vergessen.“
Für sein eigenes Konzert am Samstag hat Martin einige neue Songs auf Lager, die er noch nie vor Live-Publikum gespielt hat. Über Silvester erhielten die Stücke in Oberösterreich den letzten Feinschliff. Und wie es sich für einen David Bowie-Fan gehört, wird er als Reminiszenz an den vor wenigen Tagen verstorbenen Musiker auch einen Song seines Idols ins Programm einbauen. Es gibt also gleich mehrere Gründe für Fans der gepflegten Singersongwriter-Musik am Samstag ins Dezentral zu schauen. Und für all jene, die es nicht schaffen: Im Herbst veröffentlicht Martin seine erste Solo-Platte und im Winter folgt das nächste Album von Radical Chique.
Konzert-Eckdaten: Beginn 19:30 Uhr / Eintritt: freie Spende / Dezentral, Ilgplatz 5 / Veranstaltung auf Facebook
get in contact: Infos zu Martin Mikulik und Radical Chique gibt es auf www.radicalchique.net sowie auf Martins Facebook-Page. In die Songs von Radical Chique könnt ihr bei Youtube und Soundcloud reinhören.